Kritik an unserer Besetzung und deren sachliche Beantwortung

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Hier sollen sachliche und auch unsachliche Kritikpunkte an unserer Besetzung aufgelistet und auch sachlich beantwortet werden. Jeder und jede ist herzlich dazu eingeladen Kritikpunkte die an ihn/sie herangetragen wurden hier einzutragen um gemeinsam eine mögliche Antwort auf diese zu formulieren.

BITTE BEACHTEN: Diskussion und Vorschläge unter "Discussion", fertige Texte auf die "Page".

Der Universitätsbetrieb wird durch die Besetzung eingeschränkt, es entstehen Mehrkosten und Sachschäden

Der Universitätsbetrieb wird durch die Besetzung unvermeidbar eingeschränkt. Dies geschieht jedoch nicht als Selbstzweck, sondern hat den Sinn ein Symbol (nämlich die Besetzung des Audimax der Universität Wien) dazu zu verwenden um auf die Probleme in der Bildungspolitik hinzuweisen. Es soll ein gemeinsamer Raum für diesbezügliche Diskussionen geschaffen werden. Bereits seit langem wurden die politischen Entscheidungsträger von BildungsexpertInnen auf diese Probleme aufmerksam gemacht. Wie wir alle sehen, leider ohne Erfolg. Um nun auch in der Gesamtbevölkerung Sensibilität für dieses wichtige Thema zu erzeugen, musste eine Möglichkeit geschaffen werden, uns Gehör zu verschaffen.

Dies muss natürlich mit vertretbaren Mitteln und mit so wenig zusätzlichen Kosten (Steuergelder) wie möglich geschehen. Da auch Studenten (zukünftige) Steuerzahler sind, sind also nicht nur Außenstehende die Zahler.

Jedoch zu beurteilen, ob die zusätzlichen Kosten, die durch die Besetzung anfallen, vertretbar sind, bleibt jedem selbst überlassen. Wenn uns ein Richtungswechsel der Bildungspolitik allerdings nicht das Geld für Streiks, Besetzungen und Demonstrationen wert ist, dann ist uns auch ein solcher Richtungswechsel nichts wert. Uns ist es das wert. Wir versuchen aber auch mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln die anfallenden Kosten so gering wie möglich zu halten.

Die Räumlichkeiten werden nicht bloß besetzt, sondern in ihnen passiert selbstorganisierte Bildung auf eine Weise, die sich eben vom kritisierten herkömmlichen Betrieb unterscheiden soll. Diskussionen, Vorträge, Filmvorführungen, Lesungen gibt es im Audimax rund um die Uhr. All das muss freilich noch ausgebaut und vertieft werden. Hier handelt es sich eben nicht nur um einen Aufschrei, sondern um den Aufbau einer neuen Struktur, in die sich jeder einbringen kann und in der (auch) Wissen vermittelt werden soll.

Zum Thema wird oft ein Kostenaufwand von 16.000 Euro/Tag genannt. Dies bezieht sich allerdings nicht auf die unmittelbaren Kosten der Besetzung, sondern dies sind die Kosten für das Ausweichquartier, in dem Veranstaltungen stattfinden, die in den besetzten Räumen nicht mehr stattfinden können. Niemand scheint die Frage zu stellen, warum der Betrag so hoch ist, an wen das Geld geht und ob es überhaupt legitim ist, in einer solchen Situation Geld zu verlangen. Fragen kann man auch, ob dieser Betrag tatsächlich vollständig zusätzlich entsteht, wenn auch die normale Benutzung der normalen Räume Geld kostet.

Die Besetzung wird nur als Partyvorwand missbraucht

In der Tat zieht die Bewegung TeilnehmerInnen an, die an inhaltlichen Diskussionen weniger interessiert sind und eher Party und Unterhaltung fröhnen. Dies ist unvermeidlich, wird jedoch in Grenzen toleriert. An Vandalismus und Unkultur besteht bei niemandem ein Interesse. Gestartet ist die Bewegung jedenfalls nicht der Party willen, sondern aufgrund konkreter Probleme und Befindlichkeiten. Da Party und Unterhaltung besser sichtbar sind als inhaltliche Arbeit z.B. in AGs ist das Bild der Bewegung für Außenstehende unvermeidbar verzerrt.

In den ersten beiden Tagen wurde als Abendgestaltung (während des Tages wurde diskutiert und gearbeitet) noch hauptsächlich Musik angeboten und für Unterhaltung gesorgt. Von uns wurde jedoch sehr schnell erkannt, dass jede dargebotene Unterhaltung allerdings nicht die eigentlichen Unternehmung verdecken darf. Nun versuchen wir bereits seit einigen Tagen jeden Abend in den Dienst der Sache zu stellen und bieten politische Filmabende, Vorträge und ausgedehnte Diskussionen. Allerdings bieten auch und gerade die Musik und das gemeinsame Feiern die Möglichkeit, neue oder politisch noch nicht so interessierte Menschen in diesen Freiraum einzuladen, um uns dabei dann auch über ihre Sichtweise der aktuellen Lage austauschen zu können.

Arbeit und Freizeit bzw. Unterhaltung sind nicht sinnvoll zu trennen. Arbeit soll Spaß machen und bei lockerer Atmosphäre lässt sich wunderbar inhaltich arbeiten.

Regt euch nicht nur auf, sondern liefert auch mal Lösungsvorschläge

In der Tat sind konstruktive Vorschläge einer reinen Kritik ohne Gegenentwurf vorzuziehen. Hier gibt es in der Tat noch einigen Handlungsbedarf unsererseits. In der frühen Phase, in der die Bewegung sich aktuell befindet, artikuliert sich vor allem Kritik. Gegenentwürfe brauchen Zeit und Überlegung. Das Was und Wie greifen hier ineinander.

Daher kann man die aktuelle Bewegung nicht als destruktiv abtun, allein deshalb, weil es (noch) keine Gegenvorschläge gibt. Genauso sind überstürzte Vorschläge zu vermeiden. Es muss sich erst ein Arbeitsmodus ausbilden, der es ermöglicht, dass jeder Mensch die Möglichkeit der Mitwirkung hat, so dass am Ende eine Idee steht mit der sich alle identifizieren können bzw. dass unterschiedliche, auch gegenteilige Positionen nebeneinander stehen können.

Tatsächlich ist ein Teil der Studierenden an ernsthafter Gremienarbeit nicht interessiert. Dies hat mehrere Gründe - Orientierung an Aktionen; Unernsthaftigkeit; Ablehnung der bestehenden Strukturen aus prinzipiellen Gründen. Ein Teil jedoch ist sehr an dieser Arbeit interessiert. Allerdings ist hier auch die Gegenseite gefragt, die ausgestreckte Hand anzunehmen. In der Vergangenheit sind hier (beidseitig) Barrikaden aufgebaut worden, die es zu überwinden gilt.

Die Forderungen sind utopisch, der Staat hat wegen der Krise eh kein Geld

Gerade in Zeiten der Krise ist es wichtig auf die Bedeutung von Universitäten, und deren Finanzierung hinzuweisen. Dabei geht es um Grundsätzliche Fragen der Verteilungspolitik. Der Staat hat natürlich nach wie vor Geld. Geld für Pensionen, Autoverschrottung, Banken und teure Bahnausbauprojekte. Geld ist auch in privatem Vermögen vorhanden, und das in den letzten Jahren zunehmend ungleich verteilt. Die Gesellschaft und insbesondere wohlhabende Schichten profitieren von dem Geld das für universitäte Bildung aufgebracht wird. Für die Zukunft und die Zeit nach der Krise wird Bildung ein wichtiger Faktor für das Allgemeinwohl bzw. den Wohlstand einer Gesellschaft sein. (Stichwort Informations- bzw. Wissensgesellschaft)

Selbst aus ökonomischer Sicht können wir uns nicht leisten, kein ausreichend (staatlich = demokratisch) finanziertes Universitätssystem zu schaffen. Langfristig betrachtet ist es eine der sinnvollsten Investitionen einer Gesellschaft Universitäten zu fördern, auf denen sich frei denkende Menschen entfalten können. Die nötigen Geldmittel wären leicht aufzutreiben mit einer minimalen (Re-)Besteuerung der wohlhabensten Privatpersonen und Unternehmen.

Die Schenkungs- und Erbschaftssteuer hatte dem Staat 120 bis 140 Mio Euro jährlich gebracht. Die Studiengebühren 150 Mio, also eine annähernd vergleichbare Summe. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wurde mit dem Argument abgeschafft, dass sie im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand zu wenig bringe. Die Abschaffung der Studiengebühren hingegen könne sich der Staat nicht leisten? In Österreich wurden Wohlhabende zusätzlich steuerlich entlastet, obwohl selbst die OECD die zu niedrige Besteuerung von Vermögen in Österreich kritisiert hatte.

Frage: Mit welchem Recht dürfen wir künftigen Generationen Schulden und Umweltprobleme hinterlassen und zugleich eine breite universitäre Bildung verwehren? Antwort: Mit dem Recht des Stärkeren!

Jenseits einer ökonomischen Argumentation ist auf den prinzipiellen Wert der entfachten Debatten hinzuweisen.

Den Studenten (sic) geht es eh zu gut, sonst könnten sie nicht wochenlang ohne zu arbeiten den Audimax besetzen

Viele der Teilnehmenden am Protest gehen am Tag arbeiten und kommen am Abend, um am Plenum teilzunehmen. Viele Leute schliefen über längere Zeiträume hinweg pro Nacht nur drei Stunden oder gar nicht. Es wäre eher angebracht sie zur Ruhe, Entspannung und Selbsterhaltung zu ermutigen, als sie des Müßiggangs zu bezichtigen.

Darüber hinaus scheint es unsinnig, den Lebensstandard von StudentInnen einer angeblichen Restbevölkerung nach unten(?) annähern zu wollen. Ziel sollte es sein, Lebenstandard und -zufriedenheit aller zu erhöhen.


Wie geht es weiter?

Eine Beendigung der Besetzungen und anderer öffentlicher Aktionen ist von der Erfüllung bestimmter Forderungen abhängig sowie von einem allgemeinen Gefühl des positiven Fortschritts. Wie lange dies dauert, hängt nicht nur von den Studierenden ab. An einer Besetzung "auf ewig" bzw. den damit einhergehenden Einschränkungen hat freilich niemand ein Interesse. Teile der Bewegung, z.B. selbstständig organisierte, alternative Lehrveranstaltungen, könnten sich auf Dauer etablieren.

Eine zentral festgelegte Beendigung der Besetzungen und Aktionen ist nicht möglich und widerspräche ohnehin dem dezentralen Charakter der Geschehnisse. Beendigungen und Fortsetzungen werden basisdemokratisch, lokal begrenzt vor Ort beschlossen. Gerade dadurch soll den bisher geschehenen einseitigen Festlegungen "von oben" Transparenz und Demokratie entgegen gesetzt werden.


Warum Frauenquote?

Hat mit dem Thema Bildung nichts zu tun und ist erst wieder diskriminierend gegenüber den Männern. Ich habe gehört bei offenen Stellen ist es in Österreich oft schon Pflicht unter 1000 Bewerbern die gleich qualifiziert sind "die Frau" zu nehmen, unabhängig von jeglicher Quote. Was ist daran gerecht? Die konservative Einstellung mancher Personalchefs die eher einen Mann bevorzugen kann man nicht mit einer sinnlosen "Frauenquote" vertreiben, derartige Maßnahmen treiben lediglich einen noch grösseren Keil zwischen die Geschlechter. Warum also ist dies Teil der Forderungen?

Diskriminierung von Frauen bzw. allgemein Gender ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und daher automatisch auch Thema im Bildungsbereich. Auch an Instituten und Lehrstühlen wurde und wird noch diskriminiert - u.a. gegen Frauen, Ethnien, Migranten, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft usw. Über Forderungen zu den Universitäten und zum Bildungssystem im konkreten stellt die Studentenbewegung auch allgemeine Ansprüche. Das Bildungssystem losgelöst von der Restgesellschaft betrachten zu wollen, ist ohnehin nicht möglich oder sinnvoll. Analysen und Lösungsvorschläge gehen weit auseinander, sind historisch ausgiebig diskutiert worden - und können daher hier nicht in Länge abgebildet werden. Antidiskriminierung steht auch auf der herrschenden Tagesordnung - in Deutschland z.B. ist es inzwischen Gesetz, sich ohne Foto zu bewerben.

Um zunächst klar zu stellen, warum es die Debatte überhaupt gibt: Es gibt bestimmt genügend Frauen, die Führungspositionen und feste Stellen an der Uni einnehmen würden, aber nicht gelassen werden. Der historische Kontext ist hier entscheidend. Dadurch, dass es Frauen eben lange nicht gestattet war, a) zu studieren und b) universitär zu unterrichten ist die Situation auch heute noch so, dass viel mehr Männer in Vorständen, Senaten sitzen und als Lehrende an Unis tätig sind. Viele diseser Alteingesessenen sehen es immer noch nicht gerne eine Frau als "Chefin" zu haben und in Entscheidungen spielt Sexismus immer noch bei einigen Männern eine tragende Rolle. Biologistisches Denken ("Frauen sind für Physik einfach nicht geeignet") ist nach wie vor verbreitet. Verbreitet ist es auch, den Betroffenen einseitig selbst die Schuld zu geben ("Es gibt eben kaum Bewerberinnen im Bereich Physik"). Um diesen Kreis zu durchbrechen ist es nötig (vorerst) Frauenquoten einzuführen, damit auf lange Sicht universitäre Entscheidungen völlig frei von sexistischen, diskriminierenden Urteilen abhängen. Eine Quotierung ist also eine Notlösung, institutionell einen Vorgang zu erzwingen, der sich von selbst nicht einstellt. Es gibt genügend Frauen die dazu qualifiziert sind und diese Positionen auch übernehmen würden.

In der Debatte muss genau beachtet werden, was genau quotiert werden soll. Handelt es sich beispielsweise um eine Rednerliste in einem Plenum (Redechance)? Geht es um ein Entscheidungen treffendes Organ (Qualität)? Geht es um Repräsentativität? Geht es um Professorenstellen (Pluralität)? Außerdem: ist eine quotengemäße Zusammensetzung tatsächlich selbst Ziel, oder ist es nur ein Fernziel, dem andere Maßnahmen dienen sollen?

Ein Beispiel aus dem Universitätsalltag: Eine 50/50-Quote in der Zusammensetzung der ProfessorInnenschaft wäre real nicht erreichbar, jedoch sind mit dieser Zielsetzung Maßnahmen in diese Richtung legitimiert. In Folge wird eine Bewerberin einem Bewerber "bei gleicher Qualifikation" (für gewöhnlich Formulierung bei Ausschreibungen für Stellen) automatisch vorgezogen. Hierbei spricht man jedoch nicht mehr von Quotierung sondern von Antidiskriminierung. In der Realität mag es sein, dass mancher Personalentscheider eine Frau auf Gedeih und Verderb einstellen wird, um sich nicht dem Verdacht der Diskiminierung auszusetzen. Dass dadurch auch weniger kompetente Frauen auf bestimmte universitäre Stellen rutscht, mag vorkommen, widerlegt jedoch nicht das Prinzip. Vor Einführung der Quotierung sind auch weniger kompetente Männer in Stellen gekommen.

Ein Beispiel aus einer politischen Wahl: Hier führt eine 50%-Quotierung in der Realität in der Tat dazu, dass minder geeignete Bewerberinnen auf der Liste landen, bei dem Versuch die List quotiert zu füllen. Das spricht jedoch nicht zwingend gegen die Quotierung - auch minder geeignete (männliche) Bewerber landen auf einer solchen Liste, wenn nicht Quotierung erzwungen wird. Dies muss jedoch bei weitem nicht immer der Fall sein. Die Quote wird daher in der Regel nicht dazu beitragen auf biegen und brechen Frauen für Positionen zu finden.

Ein weiteres Beispiel: eine RednerInnenliste in einem Plenum soll 50/50 quotiert sein. Daher werden nun freilich nicht weibliche Anwesende zum Reden genötigt, wenn sich nur Männer melden. Jedoch wird einer Frau die Chance eingeräumt, sofort zu sprechen, wenn sich davor Männer gemeldet hatten.

Daher ist es unsinnig, in den diskutierten Quotierungen eine Rückdiskriminierung von Männern zu sehen.

Warum ist das unsinnig? "Mindestens 50% Frauen" bedeutet dass es auch mehr Frauen sein dürfen, aber damit maximal 50% Männer. Das ist ohne Zweifel diskriminierend.


Von "mindestens" 50% steht in Texten oder Stellenausschreibungen nichts. Warum diese Forderung nicht nur wörtlich zu nehmen ist, steht im Text.


Doch, hier: https://unibrennt.jvales.net/wiki/Frauen_Lesben_Inter_Trans_AG


Dann diskutiere bitte dort.


Mein Beitrag stehts bereits dabei, ganz unten und ohne Kommentar bisher. Bei der Aggressivität die dort vorherrscht glaube ich allerdings kaum dass etwas sinnvolles dabei herauskommt, siehe "discussion" in der anderen AG. Einer hats schon gesagt: "Kämpft für Gleichberechtigung - Für die gleichen Rechte beider Geschlechter, nicht für mehr Rechte für Frauen"...und dem kann ich mich voll und ganz anschliessen, das wäre aber dann auch schon der einzige sinnvolle Kommentar dort.
Noch einmal: Diskutiere das bitte dort. Man diskutiert nicht die Probleme von AG 1 auf der Website von AG 2. Wenn eine Klärung von Problemen übers Web nicht möglich erscheint, versuch es doch vor Ort. Wenn du freundlich auftrittst, werden die dich schon lassen.

Quotierungen von RednerInnenlisten (sog. doppelte Quotierung: Frauen vor Männern, ErstrednerInnen vor ZweitrednerInnen) haben sich in Veranstaltungen dieser Art durchgesetzt, um durch einen institutionellen Mechanismus ein historisches Unrecht zu überwinden. Dass Quotierungen und deren Erzwingung am grundlegenden Problem kurzfristig und unmittelbar nichts ändern, ist den meisten Befürwortern bekannt. Argumentiert wird jedoch, damit Bewusstseinsprozesse anzustoßen.

Ein weiteres Argument gegen Quoten ist die Schaffung immer neuer Anspruchgruppen, die gegen einander aufgewogen werden müssen, z.B. Anteile von Frauen, MigrantInnen, Behinderten etc. Dieser Strang der Debatte macht auf ein tieferliegendes Problem aufmerksam: Welche Verteilung von Merkmalen in der Realität wird eigentlich angestrebt? Auf einen Fall bezogen: Inwiefern ist ein hoher Anteil an Frauen in Ingenieursberufen wünschenswert? Macht ein Denken in Anteilen überhaupt Sinn? Wenn ja, welche Anteile sind warum erstrebenswert? Wie kann man diese Anteile herstellen?

Gegen Quotierungen wird gelegentlich das Argument vorgebracht, eine Quotierung rühre an den falschen Problemen, tatsächlich sollte man sich um Sozialisierungsprozesse, Rollenbilder etc. kümmern. Auch diese Argumentation würden BefürworterInnen von Quoten vermutlich teilen. Auf Ebene der Analyse macht es in der Tat Sinn, wie geschildert zu argumentieren, also Maßnahmen von weiteren Maßnahmen abhängig zu machen. Jedoch wenn Forderungen gestellt werden, muss irgendwo angefangen werden. D.h.: eine umfassende Veränderung der Gesellschaft mag erstrebenswert sein, real jedoch muss sich auf eine punktuelle Forderung beschränkt werden.

Ein weiteres Gegenargument betrifft die Formulierung: ob man 50% Frauen oder 50% Männer fordert, liefe auf das gleiche hinaus. Unter der Vorraussetzung einer bipolaren Geschlechterordnung wäre das rein theoretisch in der Tat dasselbe. Der historische Entstehungprozess sowie die aktuelle Situation sieht jedoch anders aus.

Die Erfahrung lehrt, dass nicht nur analytisch, sondern auch praktisch Quotierung z.B. von RednerInnenlisten nur ein Teilschritt sein kann. Erfahrungsgemäß erhöht beispielsweise eine RednerInnenliste die Teilnahme von weiblichen Rednerinnen. Die Sozialisation von Frauen jedoch bewirkt Hemmungen, sich überhaupt zu melden. Die oben genannten einseitigen Schuldzuweisungen sind schon damit widerlegt. Daher hat es sich in der Praxis bewährt, wenn ModeratorInnen Frauen explizit ermutigen, sich zu melden, z.B. mit der Versicherung, sofort die Chance zur Rede zu haben.

Eine Rednerliste (aufgrund der Lesbarkeit verzichte ich auf gender-neutrale Schreibweise, es ist ja ohnehin jeder Frau klar dass sie auch gemeint ist) hat sicher ihren sinn, aber es gibt nur ein sinnvolles Prinzip dafür: Wer sich zuerst einschreibt darf auch zuerst reden, egal ob Mann oder Frau. Man sollte endlich beginnen den Menschen zu sehn, und nicht in die Geschlechter aufzuteilen.
In eine RednerInnenliste wird sich nicht eingeschrieben, sie wird spontan von der Moderation geführt. Dies ist seit Jahrzehnten bewährte Praxis. In der Tat wäre es wünschenswert, nur noch den Menschen zu sehen. So ist aber weder Geschichte noch aktuelle Situation. Eine Schreibweise, die Gender berücksichtigt, ist ein eigenes Thema. Manche Autoren argumentieren so, andere so. Dafür spricht, dass durch die Verwendung eines bestimmten grammatikalischen Genus auch ein Bewusstseinsprozess angestoßen wird. Des weiteren ist die Aussage "jeder Frau ist klar, dass sie auch gemeint ist" problematisch. Nicht nur ist das eine Unterstellung, es würde auch eine einzige Frau schon reichen, der es nicht klar ist, um das Argument zu widerlegen. Drittens ist problematisch davon auszugehen, dass bei einer "Einschreibung" (die es wie erwähnt real nicht gibt) sich Männer und Frauen gleich durchsetzen würden.

Die Geschichte, in der Menschen mit bestimmten realen oder eingebildeten Merkmalen zu lange diskriminiert wurden, hat bestimmte Emotionen und Befindlichkeiten erzeugt. Überreaktionen sind die Folge und Einfühlvermögen nötig.

Stichwort "gratis studieren".

Fordert ihr ERNSTHAFT dass jeder der da kommen möge so lange er will gratis studieren können soll? Und trotzdem wollt ihr genug Platz für alle UND gute Studienbedingungen für jeden? In dem Fall würde es unweigerlich zu einer Studentenflut kommen (wenn das denn bezahlbar wäre), das ganze ist ja ein Widerspruch in sich wenn man ausserdem noch bessere Bedingungen an der Uni fordert. wenn ich mich "nur" BILDEN will, dann kauf ich mir lieber ein buch oder schau ins internet. dazu brauch ich keine uni. dann lern ich ausserdem EXAKT das was mich wirklich interessiert und stören mich auch keine "deadlines", keine "voraussetzungsketten" usw...und ich habe null leistungsdruck, ausserdem kanns jeder machen.

In anderen vergleichbaren Staaten ist ein kostenfreies Studium unter menschenwürdigen, produktiven Bedingungen bereits möglich - unter anderen in Deutschland. Ob dort und anderswo über "Studierendenschwemme" oder Studierendenmangel geklagt wird, hängt von den Kosten des Studiums nur begrenzt ab. Als typisches Beispiel mögen hier FHs und Universitäten in Ostdeutschland zählen, die auch ohne Studiengebühren und mit (relativ) guten Forschungs- und Lehrbedingungen eher über Studentenmangel klagen - insbesondere in Ingenieursstudiengängen.

Ein Studium erzeugt automatisch Kosten, zu diskutieren ist, wer diese trägt. Auch hier ist eine historisch lange Diskussion zu berücksichtigen, die hier nicht aufgerollt werden kann. Fest steht, dass die gegenwärtige Diskussion von Mängeln vor allem an Geld herrührt. Anstatt jedoch die Frage zu stellen, warum der Staat zunehmend zur Bildungsfinanzierung immer mehr nicht in der Lage ist, werden Kosten auf Studierende in Form von Studiengebühren abgewälzt. Hierbei sind Studiengebühren von 500 Euro/Monat im Gespräch (die freilich nicht kostendeckend sind), aber auch Beträge von 5000 Euro/Monat (die zumindest in geisteswissenschaftlichen Studiengängen kostendeckend wären) und mehr. In medizinischen Studiengängen sind die Kosten weit höher, sodass hier eine kostendeckende Finanzierung allein durch die StudentInnen utopisch erscheint. Warum Mittel vorhanden sind zur Stützung von Banken und für Konjunkturprogramme, vergleichsweise kleine Beiträge jedoch nicht fürs Bildungssystem, ist ebenfalls schwer zu vermitteln.

Bildung und Ausbildung werden in den Debatten für gewöhnlich getrennt. Einige Dinge sprechen dafür, andere dagegen. Gegen die Trennung spricht, dass Ausbildung (zum spezialisierten Facharbeiter) wirkt auf die Bildung (als Mensch in seinen Anlagen) und umgekehrt. Der Trend der letzten Zeit ist ja gerade, allgemeinbildende Inhalte zurückzudrängen zugunsten der spezialisierten Fachausbildung, z.B. in Form der Abschaffung des Studium Generale. Dies hat jedoch nicht nur mit einem hegemonialen "Dumm machen" der Studierenden zu tun, sondern mit Spezialisierungstendenzen in der Gesellschaft und dem schnell wachsenden akkumulierten Wissensbestand. Des weiteren wird die Weiterexistenz eher von sozial-/geisteswissenschaftlichen Studiengängen in Frage gestellt als von Technik-/Ingenieursstudiengängen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Studienangebot zu einseitig von Interessen der Wirtschaft bestimmt ist (wobei hier oft die unterstelle Trennung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft kritisiert wird). Eine weitere Ursache mag der gesamtgesellschaftliche Aufstieg von Wissenschaft & Technik sein, deren Innovationsschübe verantwortlich gemacht werden für weite Teile des Wohlstandfortschritts der letzten 50 Jahre.

In der Tat muss Bildung nicht in der Universität stattfinden. (Aus-)Bildung ist jedoch historisch und rechtlich (staatlich anerkannte Abschlüsse) an Hochschulen geknüpft. Wer sich privat zum Maschinenbauer bildet, ist noch nicht anerkannt als Maschinenbauer. Bestimmte Berufe, z.B. in der Verwaltung, sind sogar nur auf staatlichem Wege denkbar. Daher sind junge Menschen auf jeden Fall an die Institution Hochschule gebunden - dann ist nicht mehr zu argumentieren, warum die jungen Menschen in dieser Institution auf allgemeinbildende Inhalte verzichten sollten. Ob diese geliefert werden von der staatlichen oder privaten Institution Hochschule, von anderen Institutionen (z.B. Volkshochschulen, Sommerkursen) oder autonom organisierten Angeboten ("alternative Hochschule"), muss man diskutieren. Bachelor und Master waren als Reformvorgang gut geeignet, entstandene Lücken im institutionellen Portfolio durch alternative, selbst organisierte Inhalte zu füllen. Die Modulstruktur macht dies besonders einfach. Aber auch Module wollen durch Stellen anerkannt sein (Akkreditierungsvorgang). Die gegenwärtige Bewegung birgt die Chance, dieses Thema wieder auf die Tagungsordnung zu bringen. Auch hier braucht es eine Diskussion um das Für und Wider.

Das Internet spielt hier eine enorme Rolle, z.B. werden Vorlesungen schon heute gestreamt. Bildung von zu Hause aus wird in neuer Qualität möglich. Auch die aktuellen Proteste werden gestreamt, auf Videoplattformen im Internet finden sich alternative Angebote. Die Nachfrageseite ist jedoch verknüpft mit der Angebotseite, also vorhandenen (Geld-)Mitteln und den Köpfen (Talente, Lehrende). Sowohl Geld und Köpfe versammeln sich jedoch - mit wenigen Ausnahmen - vor allem an den Universitäten.

Anders als Fachhochschulen sind Universitäten historisch aufgetreten mit einem breiteren Anspruch, den ganzen Menschen zur Entfaltung zu bringen. Eine Gesellschaft mit Bedarf nach hoch spezialisierten Fachkräften stellt diese Gesamtentfaltung zwar nicht automatisch in Frage, da Zeit, Geld und Kraft jedoch begrenzt sind, gerät diese Entfaltung des Menschen eben ins Hintertreffen. Diskutieren muss man, ob, und wenn ja: wie, man dem entgegen wirken will und muss. Es ist jedenfalls schwerlich zu argumentieren, warum IngenieurInnen in ihrem Studium vollständig verschont werden sollten von "fachfremden" Inhalten, und umgekehrt GeisteswissenschaftlerInnen völlig unbehelligt von Technik & Wirtschaftswissenschaft die Hochschule verlassen sollten. Inhalte, die beide Bereiche verbinden, sind bereits etabliert (z.B. Wissenschaftsethik, Wirtschaftspsychologie, Technik- bzw. Risikokommunikation). Andererseits macht es keinen Sinn, etablierte Studienprofile künstlich verbreitern bzw. verwässern zu wollen. Balance statt Einseitigkeit ist gefragt.

Fest steht, dass Bildungssektor und Wirtschaft verzahnt sind. Letztere z.B. vermittelt Bedarf an erstere und es entstehen neue Studiengänge und Abschlüsse. Der Bildungssektor ist historisch entstanden als staatlicher Sektor, der zunehmend privatisiert wird, in Form von privaten Hochschulen, privater Studienfinanzierung (Kredite) und privater Finanzierung (Forschungsprojekte). Es ist also offensichtlich, dass es einen Einfluss der Wirtschaft auf die Bildung gibt, mal über Staat und Politik, mal nicht. Dieser Einfluss muss nicht automatisch negativ sein. Ideologische Diskussionen ("Wirtschaft raus aus der Uni!") verdecken vorhandenen oder möglichen positiven Einfluss. Ob z.B. ein Mittel gegen Krebs auf staatliche oder private Finanzierung zurückgeht, ist unerheblich für die Betroffenen. Die Herkunft der Finanzierung mag jedoch einen Einfluss haben auf Preis, Verbreitung und Gewinngenerierung. Eine ergebnisoffene Diskussion tut Not.

Die Forderungen werden immer absurder, weichen immer weiter vom Thema Bildung ab.

Musste das heute enttäuscht feststellen, euer alter Forderungskatalog war wesentlich bodenständiger und sinnvoller, gleichzeitig weniger ideologisch.
Das ganz oben auf der Forderungsliste "Antidiskriminierung" steht, ist bezeichnend.
Durch diese stark ideologisch geprägte und teilweise sehr extreme Einstellung verschreckt ihr viele potenzielle Unterstützer. Z.B. Quotenregelungen sind äußerst umstritten und kaum ein Kernproblem an unseren Unis, dennoch sind sie im Forderungskatalog explizit gefordert.

Es ist zunächst richtig, dass zunehmend Themen jenseits von Bildung zur Sprache kommen bzw. Themen, die nicht auf den ersten Blick mit Bildung zu tun haben. Hier besteht in der Tat die Gefahr, die Außen- und Innenwahrnehmung der Bewegung zu verwässern. Allerdings stehen Themen in einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, den gerade Studenten zu thematisieren in der Lage sind. Weil allgemeinere Themen in den Blick geraten, müssen Kernforderungen aus dem Bildungsbereich jedoch nicht automatisch aus dem Blick geraten. Anders gesagt: der Blick gerät nicht weg von Bildung, sondern erweitert sich nur auf weitere Themen. Dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen die Bewegung für sich nutzen, um sich Gehör zu verschaffen, kann als Beleg für enormen Gesprächsbedarf gelten, den es zu kanalisieren gilt. Hier besteht die Gefahr der Anspruchsinflation, d.h. die Gefahr, Ansprüche der verschiedenen Gruppen nicht mehr koordinieren zu können. Gleichzeitig springen manche TeilnehmerInnen ab, weil sie eine 100%ige Übereinstimmung mit den Forderungen und Inhalten zur Bedingung machen.

Die Bewegung definiert sich u.a. über bestimmte Forderungen, Denkanstöße, Ideen. Das entstehende diffuse System verändert sich ständig. Es bilden sich einschließende Kriterien für Forderungen und Vorstellungen heraus, z.B. kritisch, emanzipativ. Darüber hinaus gibt es auch ausschließende Kriterien (rassistisch, diskriminierend, intolerant, sexistisch, antisemitisch, nationalistisch): Wann wird einer Forderung, und damit oft einem Individuum oder einer Gruppe, der Einschluss in die Bewegung verweigert? Wer entscheidet darüber? Da von Fall zu Fall entschieden wird, um keine Zensur entstehen zu lassen, erlangen vor allem ausschließende Kriterien an Bedeutung. Für den einen ist Extremismus ein Tabu, für die nächste ein Stichwort wie "Sozialismus".

Die Forderung, sich nur auf Bildungsthemen zu beschränken, kann jedoch auch eine weiter gehende Forderung meinen: Ent-Ideologisierung. Dahinter steht die Denkweise, dass ein weltanschaulich "neutraler" Kern irgendwie richtiger wäre als ein ideologischer, und damit automatisch falscher, Anhang. Schon wissenschaftstheoretisch macht der Neutralitätsbegriff Probleme. Der Begriff Ideologie ist jedoch komplexer, es gibt mehrere akademische und alltagssprachliche Definitionen. Zum einen meint Ideologie "die großen Ismen": Sozialismus, Kommunismus, Faschismus, Syndikalismus etc. Diese Ideologien können einerseits Debatten blockieren und den Blick auf Realität verstellen. Andererseits sind Ideologien nicht ein billiges Mittel der Manipulation, sondern entstehen aufgrund von Debatten und entwickelten Diskussionen. Der Begriff Ideologie ist in einer anderen Bedeutung negativ besetzt: Ideologie als geschlossene Weltsicht, die kaum mehr verändert werden kann und mit der Realität nichts mehr zu tun haben muss und Veränderung im Sinne der eigenen Ziele eher blockiert. In einer dritten, neutraleren, akademischeren Definition ist Ideologie eine bestimmte Sicht auf Welt - die großen Ismen sind dann genauso Ideologie wie der herrschende Zeitgeist.

Der Begriff der Entideologisierung ist also vielschichtig zu sehen. Anders formuliert: Entideologisierung als Forderung ist zu diffus, um diskutiert zu werden. Einerseits kann damit gemeint sein, intellektuellen Ballast über Bord zu werfen. Andererseits kann damit gemeint sein, auf bestimmte Weltsichten zu verzichten, anstatt sich mit ihnen fruchtbar auseinander zu setzen. Zum dritten kann damit eine Schwächung der Bewegung und des Protests gemeint sein, da mit Verzicht auf Forderungen und Weltsichten einer bestimmten Ideologie auch entwickelte Debatten und Diskussionen nicht mehr beachtet werden. So kann auch die Forderung nach Entideologisierung wiederum ideologisch verstanden werden. Unter dem Deckmantel der Entideologisierung werden auch platte Forderungen nach Entpolitisierung der Proteste bzw. deren vollständige Beendigung eingebracht ("Studieren statt blockieren!"). An diesem Punkt meint Entideologiserung eine Entpolitisierung bzw. Entintellektualisierung.

Was ideologisch ist, ist auch vom Standpunkt abhängig. Was für den einen Ideologie, ist für die andere legitime Weltsicht. Wer eine bestimmte Ideologie vertritt, mag das eigene nicht mehr als Ideologie sehen, alle anderen Sichten jedoch schon. Also nur Ideologien auszuschließen ("keine Sozialisten") ist intellektuell unbefriedigend und läuft dem Gebot der Offenheit zuwider. Auch herrschender Zeitgeist kann als Ideologie verstanden werden. Hier entstehen schnell Konflikte, die einer Debatte bedürfen - als Beispiel, an dem bestimmte Debatten zusammenlaufen, erscheint besonders das Themenfeld Naher Osten: ein vergleichsweise simpler Akt, z.B. eine Solidaritätsbekundung von StudentInnen aus dem Iran, ruft dann eine nicht enden wollende Debatte hevor. Hier entsteht die Schwierigkeit, ein non-lineares Thema linear behandeln zu müssen, weil gleichberichte Akteure nur nacheinander reden können. Die Debatten blähen sich auf: bevor inhaltlich debattiert wird, wird über die Debatte debattiert (Meta-Diskussion), bzw. sogar diese Meta-Debatte debattiert.

Auch hier sind Debatten und Findungsprozesse nötig, die ergebnisoffen und fair sein sollten, also doch so anders als eine wenig pluralistisch diskutierte Ökonomisierung des Studiums.

Antidiskriminierung als "stark ideologisch geprägte" und "teilweise sehr extreme" Forderung zu sehen, mag man als überzogen ansehen. Mit Bildung hat es auf den ersten Blick nichts zu tun, auf den zweiten Blick schon (siehe Punkt Frauenquote). Mit der Forderung gegen Diskriminierung wird nur eingefordert, was schon längst praktizierter Grundkonsens sein müsste.

Wieso ist es ein erklärtes Ziel mehr Hörsäle an mehr Unis zu besetzen?

Dadurch wird der Universitätsbetrieb nur stärker behindert als nötig. Die Besetzung des Audimax reicht bei weitem zur Erregung von (wichtiger) Aufmerksamkeit.
Verschont zumindest Unis, wo ganz eindeutig eine überragende Mehrheit der Studierenden die Besetzung ablehnt (Juridicum, vl WU).

In der Tat stehen sich legitime Ansprüche gegenüber, einerseits den Forschungs- und Lehrbetrieb aufrecht erhalten zu wollen, andererseits Protest wirksam zu artikulieren. Zu dieser Wirksamkeit gehört die Chance, wahrgenommen zu werden. Jedoch bedeutet ein Mehr an besetzten Hörsälen nicht automatisch ein Mehr an Aufmerksamkeit. Andererseits kann sich die Besetzung nicht auf einen zentralen Leuchtturm beschränken.

Es stellt sich auch die Frage, unter welchen Bedingungen ein Raum besetzt werden darf. Spielt es eine Rolle, ob die passiv betroffenen Studenten der betreffenden Einrichtung dies überhaupt teilen? Wenn ja, ab welcher Prozentzahl? Auf welche Gesamtheit bezieht sich diese Prozentzahl? Hier sind offensichtlich Kompromisse auf beiden Seiten gefragt. In konstruktiven Dialog mit den vorhandenen Anspruchsgruppen muss ein Raum gefunden werden, der einerseits wahrnehmbar ist und andererseits den Betrieb nicht zu sehr gefährdet.

Rückendeckung von Seiten der Studierenden

Die Rückendeckung der Studierenden empirisch verlässlich festzustellen, ist schwierig bzw. gar nicht möglich. Hier stellt sich u.a. die Problematik der schweigenden (Nicht-)Zustimmung sowie der Höhe entscheidender Anteile an der Gesamtstudierendenschaft (10%? 50%? Von welchem Hundert?). Eine Abstimmung über einen bestimmten Forderungskatalog ist schwierig, wenn dieser sich ständig ändert. Auch bekannt sind Formulierungs- und andere Effekte auf das Antwortverhalten von Befragten. Ebenfalls wäre ein bestimmtes Abstimmungsverhältnis verschieden zu deuten.

Dass nicht alle StudentInnen sich mit allen Forderungen der Bewegung identifizieren können und müssen ist genauso klar wie umgekehrt, dass ein Student oder eine Studentinnen seine oder ihre Ansprüche nicht auf die gesamte Bewegung übertragen kann.

Die Bewegung begann unabhängig von der demokratisch gewählten Hochschülerschaft. Es ist daher nicht möglich und auch nicht inhaltlich sinnvoll, die Führung der Bewegung nun z.B. der ÖH anzuvertrauen. Genauso sollen Vereinnahmungsversuche vermieden werden. Die (Selbst-)führung soll demokratisch, aber nicht institutionell im engeren Sinne sein. Dennoch braucht die Bewegung Mechanismen, sich der Stimmung unter Studierenden, Lehrenden, universitären Angestellten, Mittelbau, Bediensteten, gesellschaftlichen Anspruchsgruppen etc. zu vergewissern.

Wir fordern ... sowie in der gesamten Arbeitswelt

(Wir fordern die Abschaffung prekärer Dienstverhältnisse im Bildungsbereich sowie in der gesamten Arbeitswelt) Woher nehmt ihr euch das Recht für andere Befölkerungsgruppen Dinge zu fordern ohne sich vorher zmindest mit ihnen abgestimmt zu haben? Soll jetzt das Audimax Österreich regieren?? Vl. machen wir in Zukunft auch die Verfassungsänderungen mit so Streiks und vergessen einfach die 2/3 Mehrheit der von allen Österreichern GEWÄHLTEN Vertretern?!

Die Forderungen werden zwar mit Anspruch auf reale Veränderung erhoben, sie haben jedoch rein analytisch auch einen Wert ohne Betrachtung der Möglichkeit auf Umsetzung. Des weiteren können Studierende Forderungen erheben auch ohne Rückversicherung der Betroffenen - andernfalls wären Kritik und Veränderung gar nicht möglich. Gesellschaftliche Veränderung wurde und wird nicht nur über etablierte, institutionalisierte, professionalisierte Institutionen gemacht, sondern auch "von unten" erwirkt.

In der Tat können die vielseitigen, nicht nur an Bildung orientierten Forderungen den Eindruck erwecken, "vom Audimax das Land zu regieren". Der Umkehrschluss, Studierende könnten Forderungen nur stellen für "ihre kleine Welt", ist jedoch genauso falsch. Das dahinter stehnende Bild ist schnell als absurd entlarvt: sobald ein junger Mensch die Universität betritt, verliert sie oder er jeden allgemeinen Anspruch. Auch die Studentenbewegung der 60er stand vor diesem Problem: Studierende wollen als Menschen und Bürger weitergehenden Veränderungsansprüchen Ausdruck verleihen, doch sind bestimmte studentische Institutionen nur für diesen bestimmten Bereich geschaffen worden.

Eine allgemeine Äußerung einer studentischen Institution ist in der Tat problematisch. Die VertreterInnen der Institution sind gewählt für bestimmte Aufgaben, und nichts anderes. In der politischen Praxis halten sich daher Institutionen wie StuRas oder Asten für gewöhnlich aus non-universitären Debatten heraus. Dennoch können sie umgekehrt sich vorhandenen Bewegungen anschließen, wie es auch Parteien und Vereine tun.

Die gegenwärtige Bewegung entstand ohne Instititution, z.b. die ÖH, als treibende Kraft. Allgemeine, weitergehende Ansprüche scheinen daher legitim. Dabei ist es notwendig, sich mit den gesellschaftlichen Gruppen zu koordinieren, für bzw. mit denen man Forderungen entwickelt. Im Umkehrschluss ist es jedoch nicht richtig, die Erhebung von Forderungen und Ideen abhängig zu machen von deren vorheriger Zustimmung.

Als praktischen Lösungsvorschlag wäre es z.B. möglich, Transparent mit weitergehenden Forderungen im Audimax zu erlauben, aber von der Zustimmung der Anwesenden abhängig zu machen und diese Zustimmung gelegentlich aufzufrischen.

Aus einer radikalen Sicht heraus könnte man die bestehenden, demokratisch legitimierten Institutionen inner- und außerhalb der Bildungssystems aus verschiedenen Gründen ablehnen. Dann wären Veränderungsansprüche über diese Institutionen - z.B. ein verfassungsgebendes Parlament - hinweg möglich. Diese Ansprüche sind jedoch eine Minderheitenposition in der Bewegung.


Hier ein SEHR SPANNENDER Text von Bourdieu zum Thema Prekarisierung: [1]

Kriterien für Ausschlüsse bzw. deren generelle Diskussion

Ich werfe euch Doppelmoral vor, weil ihr ein Ideal hochhaltet (z.B. Basisdemokratie), dass ihr selber nicht einhaltet (z.B. Ausschluss von Ideen, die euch nicht passen) und wegen der Konsequenzen, die daraus entstehen (Diskriminierung von Personen(gruppen), die sich mit diesen Ideen mehr oder weniger Identifizieren, Bewertung von Menschen anhand von zugeschriebenen gruppenspezifischen Merkmalen, Bildung von Stereotypen).


- der hier stehende Text wurde in die DISCUSSION verschoben -

https://unibrennt.jvales.net/wiki/Talk:Kritik_an_unserer_Besetzung_und_deren_sachliche_Beantwortung#Kriterien_f.C3.BCr_Ausschl.C3.BCsse_bzw._deren_generelle_Diskussion