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Ankündigung der Veranstaltungen für Dienstag den 3.11.2009 (vorläufig)
08:00 Goller Peter (Studierendenbewegung Innsbruck) 11:00 Hauser Kornelia (Film, Diskussion zu Demokratie) 13:30 Gespräch mit Senatsvorsitzendem Dr. Ivo Hajnal 16:00 Gespräch mit wissenschaftlichem Betriebsratvorsitzendem 17:00 politisches Kabarett (Der Koshuh) 18:30 Plenum
Wozu Sich Zeit Lassen. 2.11.2009
-Innsbruck. Oft herrscht Unverständnis dafür, dass Student_innen mehr Zeit und verlängerte Fristen verlangen, sich eine Dehnung der Studienzeit wünschen, weil sie ihre Studia nicht in Rekordzeit von der Bank drücken wollen: die Atmosphäre an der Universität begann in den letzten Jahren mehr und mehr den zweifelhaften Charme eines Wettrennens zu entwickeln. Studiert zu haben darf nicht heißen, sich die Teilnahme an vorgeschriebenen und überfüllten Modulen rückwirkend in Form von überzogenen Gehaltschecks abgelten zu lassen, in Aufsichtsräten ausbeuterischer Betriebe das Szepter zu schwingen, knobeln zu müssen, mit welcher der drei Limousinen man ins Büro fahren solle, und wieviel Personalabbau nötig sein würde, um Lebensstandard und Gewinnmaximierung garantieren zu können. Ziehlt Bildung und Ausbildung ausschließlich auf die Produktion gieriger Manager_innen ab, werden Finanzkrisen und Wirtschaftsstürme noch regelmäßiger und schwerwiegender über uns hereinbrechen, und die Maßnahmen gegen sie, werden wohl noch mehr Arbeiter_innen den Job kosten. Die Einkommen werden weiter ungleich verteilt bleiben, und die Unfähigkeit der politischen Parteien zur Zusammenarbeit weiter zunehmen. Das ist eine Welt, die wir uns nicht wünschen - die wir verändern wollen. Deshalb wollen wir frei studieren.
John Maynard Keynes, der "Patron" unserer Wirtschaftsordnung, wurde zur Kassandra, als er bereits in den 1930ern erkannte: Die Lücke von Arbeitsangebot, und Arbeitsnachfrage würde die Wirtschaft vor Probleme stellen, der sie mit unbeschränktem Wachstum und blinden Investitionen nicht schlagkräftig entgegentreten wird können. Die Investitionen der Staaten in Banken und insolvente Großunternehmen, statten diese mit einer stillschweigenden Bevollmächtigung aus, weiter wie bisher zu wirtschaften, und stellen ein haarsträubendes Beispiel ungerechter Verteilung finanzieller Mittel dar. Experten_innen aus aller Welt, erklären dieser Vorgehensweise den Bankrott.
Keynes ging von einer auf dem Dienstleistungssektor basierenden Wohlstandsgesellschaft aus, die sich bis 2030 selbst würde tragen können. Wir meinen, sie könnte auch jetzt schon, wenn sie wollte. Seiner Vision nach würden die Menschen des 21. Jahrhunderts mit sehr viel freier Zeit ausgestattet sein, und sich dadurch auch individuell weiterentwickeln können. Wir fordern nicht Freizeit. Ich glaube, es ist wenigen klar, wie viele Studenten_innen, ihrem Studium gerne große Teile ihrer Freizeit opfern würden. Studenten_innen können dies zurzeit nur soweit, als möglich. Es ist jedoch notwendig, nicht nur um den eigenen Ansprüchen an Bildung und Gesellschaft gerecht zu werden. Notwendig auch, um den gegenwärtigen und zukünftigen Krisen gewachsen zu sein. Ein_e gute_r Wirtschafter_in benötigt psychologisches Gespür, historisches Bewusstsein, soziologisches Wissen, philosophische Umsicht und vieles mehr, um eine_r der Wirtschafter_inen zu sein, die diese Gesellschaft benötigen würde. Wenige Student_innen bekommen die Zeit, haben die finanziellen Mittel sich diese Zeit zu kaufen, oder verspüren die nötige Rückendeckung der Bildungspolitik, um sich so zu bilden, wie es nötig wäre. Die Realität, der sich die Protestler_innen angeblich verschließen würden, ist eine Realität, die wir im Begriff sind selbst zu gestalten. Denn bisher ist es eine gewesen, die im Begriff war, uns alle für unmündig zu erklären. Wir fordern die Mittel und Möglichkeiten, die notwendig sind, um Bildung und Ausbildung, Beruf und Berufung nicht zum Widerspruch werden zu lassen. Damit nicht nur wir Student_innen, sondern wir alle, die Zeit und Ausdauer haben, an einer gerechteren Gesellschaft arbeiten zu können.
KaGe,
Student der Philosophie,
LFU-Innsbruck.
Presseaussendung 1.11.2009
Rektor Karlheinz Töchterles erste Worte an die Anwesenden: „Es ist mir recht, dass sie dasitzen!“
Am dritten Tag der Besetzung besuchte Karlheinz Töchterle auf Einladung der Studierenden die Podiumsdiskussion im „SoWiMax“. Die ca. 350 Anwesenden diskutierten gemeinsam mit Mag. Alexandra Weiss (Politikwissenschaften), Gebi Mair (Landtagsabgeordneter der Grünen), Univ. Prof. Dr. Kurt Grünewald (Gesundheits- und Wissenschaftssprecher der Grünen, Abgeordneter zum Nationalrat) und Univ. Prof. Dr. Claudia von Werlhof (Politikwissenschaften) mehr als zwei Stunden über zentrale Bildungsaspekte wie:
* freien Hochschulzugang ohne soziale Diskriminierung * Entökonomisierung und gleichzeitige Demokratisierung * Autonomie und Raum der Universitäten * Grundsätze der Bildung und Wissenschaften
Im Zuge der Diskussion zeigte sich eine überraschend große Solidarisierung mit der Bewegung, sowie ein grundsätzlicher Konsens der Beteiligten.
„Es ist mir recht, dass sie dasitzen!“ mit diesen Worten an die Studierenden, eröffnete Rektor Töchterle das Gespräch und erklärte weiter, er denke gar nicht daran, die Besetzung der Sowi-Aula in Frage zu stellen. Erstens handelt es sich um einen aus öffentlichen Geldern finanzierten Raum. Außerdem findet hier „Universität im besten Sinne“ statt, wozu er den Anwesenden gratulierte.
Alexandra Weiss: „Bildung ist als zentrale Voraussetzung für lebendige Demokratie zu sehen.“
Auch Kurt Grünewald begann mit bestärkenden Worten: „Ich bin ihnen und ihren Kolleg_innen an anderen Studienorten dankbar, weil sie mir gezeigt haben, dass vergebliches Träumen sich auch lohnt. (...) Ich würde warnen auf halbem Weg aufzuhören!“ Sich ans Fließband des Lebens zu stellen, und auf den Lohnzettel zu warten, sei zwar auch wichtig, aber letztlich fad.
Karl-Heinz Töchterle heißt die aktuelle politische Diskussion, die von diesem Protest beherrscht wird, sehr willkommen, unterstützt in diesem Zusammenhang alle wissenshungrigen Menschen und wünscht sich einen gesellschaftlichen Rückhalt dieses Bildungswillens.
Er steht hinter der Gemeinschaft von Lehrenden und Studierenden, aber erachtet die Erfüllung eines gewissen Qualitätsanspruches für wichtig. Am Anfang eines Studiums müsse mit einer gewissen Freiheit und Selbstbestimmung studiert werden können, was momentan nicht der Fall sei. Töchterle ist für mehr Autonomie, denn er selbst sei auch nur ein in einem starren System sitzender Hausführer.
Studiengebühren konnte er sich anfangs nur unter der Vorraussetzung sozialer Gerechtigkeit vorstellen. Am Ende der Diskussion betonte er allerdings seine Offenheit gegenüber den Argumenten der Studierenden und zeigte sich bereit über eine Lösung ohne Studiengebühren nachzudenken.
Claudia von Werlhof warnte einige Stunden zuvor im Zuge ihres Vortrags in der Sowi-Aula, vor einem „Hirntod auf Raten“ und macht auf die Gefahr eines „akademischen Proletariats“ aufmerksam. Von Werlhof präsentierte sich klar als Befürworterin dieser Bewegung.
Auch Dr. Pier-Paolo Pasqualoni (Soziologie), ein weiterer geladener Gastredner, führte mit den Anwesenden eine offene Diskussion. Er setzte sich mit den Vorstellungen der Studierenden auseinander, und hob die Wichtigkeit strategischer Allianzen hervor.
Statements aus der Diskussionsrunde vom 31.10.2009:
Eingangsstatement: Karl Heinz Töchterle: "Es ist mir recht, dass Sie da sitzen!"
"Man darf bildungswillige Menschen nicht abweisen, sie als lästig empfinden! Man muss diesen Menschen Raum geben!", so der Rektor.
"Wir sind in Europa und müsssen das mitbedenken". Rektor Töchterle weiter. "Man muss sehen, dass Universität ein anspruchsvolles Gebilde ist. Exzellente Ausbildunsgverhältnisse braucht es hier, ohne entsprechende Rahmenbedingungen ist das nicht möglich. Und da braucht es auch Grenzen. Diese Grenze besteht derzeit und ist nur mittelfristig, langfristig zu dehnen. Wir haben begrenzte Kapazitäten! - Zur derzeitigen Situation kann ich mir Studiengebühren vorstellen, wenn sie keine soziale Barriere bilden! - Universität = eine Einrichtung, die von den Menschen, die sie absolvieren intellektuelle und viele weiter Fähigkeiten erfordert, sowie viel Engagement. Das muss eine Rolle spielen und diese Ansprüche muss eine Universität fordern dürfen. Ich fordere Qualität und Leistung ein!"
Rektor Töchterle: "Das Bakkalaureats Studium muss wieder ein Studium werden, das seinen Namen verdient! Es muss gedehnt und entschult werden! Man muss Freiräume schaffen und Möglichkeit zur Orientierung geben! (...) Mein Lösungsansatz: Dekonstruktion der Bachelor-Studien!"
Rektor Töchterle: "Meine Vision ein völlig freies Studium, ohne Module, ohne ECTS. Ich finde diesen Regelungswahn katastrophal. Ich will ein Studium, wo fixiert ist, was danach rausschauen muss. Wenn ich über eine Brücke fahre interessiert es mich nicht, wieviele ECTS Punkte ein Ingenieur erreicht hat. Mich interessiert, ob er sein Handwerk kann, ob die Brücke hält!"
"Wir müssen schauen, dass jeden Tag jedes Monat, die Utopie in die Realität umgesetzt wird, dass diskutiert wird und nicht oberflächlich herumgeredet wird!", Kurt Grünewald.
Karl Heinz Töchterle: "Sie befinden sich hier in einem öffentlich-finaziertem Raum und das dürfen Sie. (...) Was Sie hier tun ist Universität im Besten Sinne und dazu gratuliere ich Ihnen." - So das Schlusswort des Rektors.
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