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AG Emanzipative Uni: Emanzipative_Uni

AG emanzipative Uni - Lang-Text

In der Folge sollen einige Fluchtlinien einer möglichen emanzipativen Uni vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um vorläufige Vorschläge (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) für etwas noch zu Entwickelndes und nicht als eine Form die Welt zu erklären. Dies wäre schon deshalb unmöglich, weil es nicht eine einheitliche Welt gibt.

Es sollen vorerst 3 Punkte diskutiert werden:

A, die Uni in Bewegung B, Transformationen der Forschungsdesignes C, nähere Spezifikationen zur AG emanzipative Uni.

A. Die Uni in Bewegung:

Emanzipative Uni gibt es bereits in Form der tagtäglichen studentischen Aktivitäten, den Besetzungen , der studentischen Bewegung insgesamt nicht nur in Wien und nicht nur in Europa. Die studentischen Bewegungen stellen sich dar als Teil der sozialen Bewegungen gegen die neoliberalen und neokonservativen Anmaßungen, die restlos alle Lebensbereiche dem vorherrschenden ökonomischen Imperativ unterordnen wollen und solcherart immer größere Teile der Bevölkerung, deren Kraft, Kreativität und Wissen enteignen, prekarisieren usw. Wir befinden uns also innerhalb dieses Bewegungszykluses.

Emanzipative Uni soll also, so wie die aktuelle studentische Bewegung den Widerstand mittragen helfen gegen die Logiken der geistigen und materiellen Verwüstungen, die den sogenannten Bolognaprozeß begleiten und gegen deren Absicherung mittels ideologischer, sprachlicher und allgemein wissenschaftlicher Mittel Stellung beziehen. Es sollen Alternativen zur Zurichtung von Wissenschaft auf eine Manipulationsmaschinerie im Dienste der Mehrwertsteigerung (z.B. über tausenderlei Manipulationen der Meinungsumfragen etc.) erarbeitet werden. Es werden bereits jetzt andere Formen und Inhalte des Wissens über einzelne Felder erarbeitet (z.B. über andere Ökonomiemodelle, wie der Solidarökonomie), solche, die bereits auf einen Überschuß über das Bestehende hinweisen und auf jene Forman zielen, die Wissenschaft eigentlich ausmachen sollten: auf Neugier und das erforschen von bislang Unbekanntem und (oder) Verdrängtem. Diese Archeologie des Wissens könnte jene Schätze bergen, die der Zwang zur Konkurrenz und zum Wettbewerb verschüttet hat, bzw. bis zur Unkenntlichkeit entstellt hat.

Dabei haben wir kein fertiges, abschließendes Konzept – können es auch gar nicht haben. Wie und wohin können wir gehen? Im zapatistischen Sinn gehen wir fragend voran. Was sind gangbare Konzepte?

Die emanzipative Uni versteht sich also als Teil der aktuellen studentischen Bewegung und kann damit nicht die Form einer Organisation (diese steht für stringente Strukturen) sondern nur jene des Labels annehmen. Im Gegensatz zur Organisation ist das Label ein loser Vernetzungszusammenhang in dem Kollektivität über Knotenpunkte hergestellt wird, der aber keine Gruppenzwänge kennen sollte.

Der emanzipativen Uni geht es darum alle bisherigen universitären Strukturen, Abläufe und Modelle zu hinterfragen und bei Bedarf in Frage zu stellen. Deren Ein- und Ausschlussproduktion (sozial, geschlechtlich etc.) soll aufgezeigt werden. Es soll hinterfragt werden, welche Subjekte produziert werden und zu welchem Zweck. Etwas konkreter geht es um Folgendes: Infragestellung des Top-Down-Prinzipes und Ersetzung durch das Bottom-up-Prinzip, Enthierarchisierung aller universitären Ablaufe und Strukturen, statusübergreifendes Arbeiten und Hinterfragung der Funktion der Statusbildung, Zurverfügungstellung ausreichender finanzieller Mittel für den Ablauf universitärer Aktivitäten, Beseitigung der Kluft zwischen Forschung und Lehre, Bildung statt Ausbildung, Ablehnung (Zurücknahme) von Zugangs- und Weiterführungsbeschränkungen aller Art, auf-Dauer-Stellung emanzipativer Ansätze, Mitentscheidung aller an den Unis Beteilligter (auch des Reinigungspersonals) auf allen Ebenen, aktive Solidarisierung mit anderen streikenden Unis, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Verteidigung der notwendigen Räume (materiell und ideell) für emanzipative Politik und Projekte.

Die emanzipative Uni stellt sich zur Aufgabe bereits bestehende (und vergangene) emanzipative und Bewegungsprojekte zu beforschen. Was gibt es bereits für emanzipative Ansätze? Was hat es bisher für welche gegeben? Als Beispiele können dabei die sozialen Bewegungen des aktuellen Bewegungszyklus dienen. Die emanzipative Uni soll die derzeitigen Ereignisse an den Unis beforschen (eine Art Selbstuntersuchung), um dieser die Ergebnisse der Forschung wieder der Bewegung zur Verfügung zu stellen. Die emanzipative Uni soll also nichts anderes tun als Uni auch jetzt tut, allerdings auf eine radikal andere Art und Weise. Es soll nicht nur um das tagtäglich produzierte Wissen gehen, das was Bildung ausmacht, sondern ebenso um jenes Weite Feld, das das Erfahrungswissen ausmacht, der Bereich des kognitiven Wissens, der Intentionen und Wünsche, des emotionalen Wissens.

B. Die Transformation der Forschungsmethoden

Als konkretes Forschungsdesign wird die militante Untersuchung vorgeschlagen. Diese unterscheidet sich von den herkömmlichen Untersuchungsdesignes durch die Ablehnung der vorherrschenden Asymetrien zwischen ForscherIn und Beforschten. Dies führt notwendig zu Subjekt/Objekt-Beziehungen und damit zur Funktionalisierung der Beforschten. Ein solcher Prozeß produziert seine eigenen Ausschlüsse und sieht nur das der eigenen Sichtweise entsprechende. Die militante Untersuchung hingegen versucht eine Subjekt/Subjekt-Beziehung im Forschungsprozeß herzustellen um solcherart Funktionalisierungen auszuschließen. Die ForscherIn steht nicht außerhalb des Prozesses, sie ist Teil davon und wechselt öfters ihre Position (die Beforschte wird selbst zur Forscherin). Wie weit solche Prämissen auch auf andere Prozesse (z.B. die Diskursanalyse u.a.) anwendbar sind, wäre Thema in der AG emanzipative Uni. Des weiteren stehen aber auch andere Forschungstools zur Verfügung, wie z.B. der CO Ansatz (Community Organising), die ebenfalls zu diskutieren wären.

C. nähere Bestimmungen für eine emanzipative Uni.

Emanzipativ ist nicht in jenem aufklärerischen Sinne zu verstehen, der zwischen Hand- und Kopfarbeit spaltet, die Individualität überhöht (meist männlich und weiß), um die Anderen zu erniedrigen. Emanzipativ meint vielmehr die Aufhebung aller Zustände in denen Menschen (nicht nur Männer) und darüber hinaus alle Lebewesen, die Umwelt, in erniedrigenden, ausbeuterischen und entwürdigenden Verhältnissen zu leben gezwungen sind.

Emanzipation wird feministisch sein oder sie wird nicht sein. Feministische Emanzipation ist keine ergänzende Haltung, die als Nebenwiderspruch wie eine Zutat einer totalen Suppe beigemengt werden könnte. Feminismus ist ein emanzipatorisches Anliegen, das sich mittlerweile nicht mehr nur darauf beschränkt, die "Frauenfrage" zu erörtern, sondern sich zur Aufgabe gemacht hat, herrschaftliche wie hegemoniale Schieflagen zu thematisieren, um gesellschaftspolitisch grundlegende Transformationen zu erreichen. Emanzipation derart verstanden, bedeutet das Zutun zu herrschaftlichen wie hegemonialen Machtverhältnissen durch eigene Handlungen zu reflektieren, Emanzipation im Eigenen zu betreiben, ebenso wie Machtverhältnisse mittels kritisch-analytischer Sicht verstehen zu lernen. Konkret bedeutet dies unseren Kontext wie uns selbst stetig danach zu befragen, wie in ihm und durch uns Sexismus/Heterosexismus/Patriarchat, Rassismus/Kulturalismus/Postkolonialismus, Neoliberalslogik/Kapitalistische Ausbeutung weiter bestehen.

Emanzipative Uni soll als offener Raum konzipiert sein, in dem sich Kollektivität entwickeln kann, wo aus den eigenen kollektiven Erfahrungen gelernt werden kann, wo Widerstand sichtbar und hörbar gemacht werden kann ohne den Druck und der Angst vor Konkurrenz, Wettbewerb oder Repressalien ausgesetzt zu sein, wo freie Kommunikation und Austausch möglich werden. So könnten z.B. Texte als Kollektiv und nicht als besondere Leistung einzelner Individuen herausgegeben werden. Konkurrenz und Wettbewerb stellen immer auch Aneignungs- und Enteignungsformen dar. Genau aus diesem Grunde, weil Kollektivität nur innerhalb der Würde der Einzelnen funktioniert, ist die Stellung der am Prozeß beteiligten zentral. Was passiert mit den Subjekten der Bewegung? Sie sind es, die die ExpertInnen der je eigenen Situationen sind. Ihre (unsere) Bedürfnisse, Wünsche, Intentionen sind Ausgangspunkt jeder Veränderungen und werden den weiteren Verlauf bestimmen. In der Uni drückt sich das in der Produktion spezifischen Wissens aus. Es ist zwar das Individuum, das sich Wissen aneignet, dieses kann aber nur innerhalb eines sozialen Prozesses passieren. Damit ist Wissen also kollektives Gut. Die private Aneignung dieses kollektiven Gutes stellt genauso eine Enteignung dar wie die Privatisierungen von öffentlichem Gut (Telefongesellschaften, Plätzen, Bahnlinien etc.).

Die emanzipative Uni soll sich mit den zentralen Strängen emanzipativer Theorien beschäftigen und deren Möglichkeiten in den aktuellen Auseinandersetzungen ausloten. Diese können u.a. sein: Queertheorien, radikale Geographie, postoperaistische Ansätze, neuere feministische Theorien, Edu-Factory-Ansatz, etc.

Universität und Wissensproduktion kann nicht losgelöst von der aktuellen Gesellschaft gesehen werden. Noch im Fordismus entspricht die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Universitäten auf Naturwissenschaften der Arbeitsteilung zwischen der Fabrik (als Ort der Handarbeit und der Mehrwertproduktion) und der Universität (als Ort der Kopfarbeit). Mit der Ablösung der Fabrik aus den Metropolen (zumindest als großer sichtbarer Raum) und ihrer Implementierung in ärmere (bzw. ärmer gemachte) Weltgegenden, bzw. ihre Aufsplitterung in kleinere, mobilere Einheiten (die Bretterbude mit der High-Tech-Maschine, die Verlagerung auf das rollende Lager usw.), der mikroelektronischen (passiven) Revolution (in ihrer sozialen Bedeutung auch als präventive soziale Konterrevolution bezeichnet) wird das physikalische Weltbild nachhaltig erschüttert und Wissensproduktion bleibt nicht mehr ausschließlich auf Universitäten beschränkt. Damit entwerten sich aber auch die Bildungstitel. Weil aber Wissenschaft keinen (einzigen) exklusiven Ort mehr hat kann Exklusivität auch nicht durch Exzelnzcenter wiederhergestellt werden. Wissensproduktion funktioniert heute in Netzwerken (so wie Bewegungen), also in Kollektiven. Sie weist damit schon über das Bestehende hinaus. Dies ändert aber nichts an der Rolle der Universitäten in der Herausbildung der gesellschaftlichen Eliten – die ihre Stellung über Systemzwänge legitimieren.

Der Widerspruch zwischen kollektiver Produktion und individueller Aneignung (die immer auf Macht beruht) führt (neben anderen Faktoren) zu den aktuellen Formen prekarisierter Arbeits- und Lebensverhältnisse, die ihrerseits zu einer Vilezahl von differenten Veruneinheitlichungen führen. Allein im akademischen Milieu gibt es eine Vielzahl differenter Formen: RegelstudentInnen, berufstätig Studierende, externe LektorInnen (mit unterschiedlichsten Verträgen), Drittmittelangestellte, Profs, Reinigungspersonal usw. Aufgrund dieser Ausdifferenzierungen können einheitliche Formationen nicht mehr funktionieren; es sei denn sie nehmen einen exklusiven Standpunkt ein (oder sie behaupten einen allgemeinen einzunehmen). Wie aber können bei einer solchen Vielzahl unterschiedlicher Ansätze, Lebenssituationen etc. Gemeinsamkeiten, Verbindungsknoten in sozialen Netzwerken hergestellt werden? Eine Möglichkeit wäre über einen Rahmen (ein Set) übergreifender Forderungen: Die AG emanzipative Uni schlägt deshalb die Forderung nach einem garantierten Grundeinkommen für alle die hier sind vor. Dadurch könnte eine Entkopplung von Einkommen und (prekärer) Arbeit ermöglicht werden. So wäre ein Arbeiten im weiteren Wortsinn, ohne die aktuellen finanziellen Unsicherheiten möglich. Die pauschale Beschuldigung, dass die Faulheit unterstützt würde (bei Einführung des garantierten Grundeinkammens) resultiert aus einem verengenden Arbeitsbegriff (nur körperliche und Erwerbsarbeit ist als Arbeit akzeptiert) und einer statischen Sicht des Finanzsystems.

Das vorgestellte Konzept ist vorläufig und in allen Punkten veränderbar. Es soll als Arbeitgrundlage dienen und als Anstoß für weitere Bearbeitungen.


AG Emanzipative Uni: Emanzipative_Uni