Selbstverwaltete Geschlechtsidentitäten AG & Queer AG

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Zweck der Gruppe: Interventionen im heteronormativen Raum


Gruppentreffen: derzeit sporadisch, wird nach Bedarf bekanntgegeben


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Aktivitäten bisher


Antisexistische Selbstuntersuchung


Am 29.10.2009 haben wir eine Antisexistische Selbstuntersuchung erstellt, die wir hier publizieren. An eine Nachfolgeuntersuchung ist gedacht.

Zum Prinzip der "Militanten Selbstuntersuchung" und zum Prinzip "Sexismus"

"Militante Selbstuntersuchung" - das klingt am Anfang sehr aggressiv und  irgendwie arg, bis mensch weiß, dass die Methode aus der italienischen Arbeiter_innenbewegung kommt und, etwas freier übersetzt, "Aktivistische Selbstuntersuchung" bedeutet.  Das Prinzip: Mensch bekommt einen Fragebogen und die Aufgabestellung ist nicht, besonders brilliante Antworten auf die gestellten Fragen zu finden, sondern die Fragestellungen auf das eigene Leben zu beziehen und so einen Ausgangspunkt für Selbsterkenntnis und Reflektion zu haben. So lässt sich Verdecktes wie eigene unbewusste Herrschaftsmechanismen, Rassismen und auch Sexismen aufdecken - und die Bewusstmachung ist ja bekanntlich der erste notwendige Schritt zur Änderung des Verhaltens und der Verhältnisse bei sich selbst. Wir glauben dezidiert nicht, dass damit schon alles getan ist, denn die Auseinandersetzung für mehr Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit muss selbstverständlich in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext gedacht und geführt werden. Es handelt sich hier wie gesagt um einen einen ersten Schritt: die notwendige Selbstreflektion.

Wir wenden uns dezidiert an diejenigen, die Sexismus verabscheuen, aber gar nicht so genau wissen, was es mit diesem Begriff auf sich hat und die sich nicht sicher sind, inwieweit sie selbst sexistisch agieren. Das Ziel ist nicht, jemanden schuldig zu sprechen, sondern zu einer Änderung von Verhaltensweisen aufzurufen, denn: Da wir alle in einer u.a. (neben vielen anderen Herrschaftsmechanismen und Diskriminierungen/Hierarchisierungen) sexistischen und partiarchal organisierten Gesellschaft sozialisiert sind, haben wir alle unsere Sexismen - schon die hegemoniale Einteilung von Personen in Gruppen wie "Männer" und "Frauen", denen in der Folge bestimmte Eigenschaften (emotional, willensstark, technikaffin, häuslich, ...) zugeschrieben werden, ist in ihrem Wesen sexistisch. Und dass ohne diese Sozialisation eine Orientierung in diesem gesellschaftlichen Umfeld kaum möglich ist, macht den Widerstand dagegen so widersprüchlich: Um gegen Mechanismen wie Sexismus anzuarbeiten, muss mensch sie benennen und reproduziert sie dabei auch gleich wieder (ich kann nicht gleiche Rechte für alle Geschlechtsidentitäten einfordern, ohne gesellschaftlich konstruierte Kategorien wie "Männer" und "Frauen" mit allem, was ideologisch daranhängt, zu benennen und damit wieder eine in ihrem Wesen sexistische Kategorisierung zu reproduzieren).


kommentar/feedback: Super Sache! So stell ich mir eine konstruktive und positive und anregende Diskussion zum sehr sehr schwierigen und hochsensiblen Thema Geschlechtsidentitäten vor. Dankeschön an die Initiative!!!

ganz ganz tolle und wichtige anregung!!



Der Fragebogen


Von der AG Selbstverwaltete Geschlechtsidentitäten: Antisexistische Selbstuntersuchung
1. Öffentlichkeit und Interaktion

- Welchen Einfluss hat dein wahrgenommenes Gender (Frau/Mann/Trans*/Inter*/...) auf deine Redechancen und dein Wahr- und Ernstgenommenwerden bei öffentlichen Anlässen wie etwa dem Audimax-Plenum?
- Du diskutierst mit einer anderen Person - diese kann sich rhetorisch besser durchsetzen. Macht es für dich einen Unterschied, ob diese Person in ihrer Genderperformance als Frau, als nicht eindeutig oder als etwas anderes (Mann) erscheint?

2. Gender Awareness Parcours

(Quelle:LadyfestVienna04; hier erweitert)


Bewege dich bewusst durch eine Personenmenge z.B. vor dem besetzten Audimax und beobachte dich selbst dabei:

- wie bewegst Du Dich
- wie viel Platz willst Du um Dich haben
- woran merkst Du, wie viel Platz andere Personen um sich haben wollen
- wie merkst Du, dass andere wollen, dass Du sie nicht/berührst
- auf wen bewegst Du Dich zu
- für wen machst Du Platz
- wie nimmst Du Kontakt auf
- wie vermeidest Du Kontakt
- von welchen Personen erwartest Du, dass sie Dir den Weg freimachen
          - eher von Personen, die Du als "Frau" wahrnimmst
          - eher von Personen, die Du als "Mann" wahrnimmst
- wie geht es Dir, wenn Du eine Person nicht einordnen kannst
- wo stellst Du Dich hin
- stellst Du Dich vor Personen, die kleiner sind als Du
- stellst Du Dich hinter Personen, die größer sind als Du
- wie kooperativ verhalten sich die Personen
- wie geht es Dir mit diesen Fragen

Originaltext von: http://www.villa.at/v/index.php?artikelnr=64&seitenkat=3

3. Gender und Identität

- Welche(s) Gender lebst du?
- Hat sich deine Selbstdefinition deiner geschlechtlichen Identität(en) im Lauf der Zeit verändert?
- Unterscheidet/n sich dein(e) Gender von dem, das öffentlich wahrgenommen wird?
- Hast du schon Begegnungen gehabt, bei denen Genderverwirrungen / -verwechslungen ein Thema waren?
- Wenn du festgestellt hast, dass die geschlechtliche Identität einer Person eine andere ist, als die, die du angenommen/wahrgenommen hast, hat das deine Gefühle / deine Wahrnehmung verändert? Wie?
- Hast du gegenüber "gender-ambivalenten" Personen andere Gefühle als gegenüber "gender-eindeutigen"?
- Unterscheiden sich deine Erwartungen, je nachdem, ob die Person, mit der du zu tun hast "weiblich"/trans*/inter*/"männlich"/? ist?
- Erwartest du von einer Person, die trans* ist, dass sie dich beim Kennenlernen darüber "aufklärt"?
- Erwartest du von einer Person, die nicht trans* ist, dass sie dich beim Kennenlernen darüber "aufklärt"?

4. Widerstand(sstrategien) und Utopien

- Was könnte dir helfen deine geschlechtliche Identität von gesellschaftlichen Normen, Zwängen und Rollenbildern zu befreien?
- Welche Strategien kannst du dir für das Verlernen gesellschaftlicher Normen und verinnerlichter Diskriminierungen vorstellen?
- Was erschwert es dir bzw. was hindert dich daran?
- Glaubst du, wäre das einfacher allein / mit einer Vertrauensperson / in einer Gruppe?
- Was kann getan werden, um den jeweiligen gesamtgesellschaftlichen Einschränkungen und Normierungen von Trans*/Inter*/Frauen/Männern/? durch Rollenbilder entgegen zu wirken?
- Wie denkst du würde deine geschlechtliche Identität aussehen, wenn sie von gesellschaftlichen Normen und Zwängen befreit wäre?
- Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, die frei von geschlechtsspezifischen Normen und Diskriminierungen ist?
- Welche Maßnahmen denkst du können dazu beitragen (z.B. im besetzten Audimax) einen sexismusfreien Raum zu schaffen?
- Was glaubst du, könntest du dabei gewinnen, was verlieren?


Was heisst hier eigentlich Sexismus?

"Sexismus" als Beschreibung einer diskriminierenden gesellschaftlichen Hierarchie und daraus resultierender Verhaltensweisen etc. meint nicht "nur" Vorurteile aufgrund auf Geschlechtszuordnungen, sondern die Verbindung dieser Vorurteile mit einer strukturell und institutionell privilegierten (auf Geschlechtszuordnungen basierenden) Machtposition gegenüber der Gruppe, gegen die sich die Vorurteile richten. Es gibt auch geschlechtsbezogene Vorurteile, die nicht mit einer eigenen Machtposition (aufgrund von Geschlecht) verbunden sind (zb. von "Frauen" gegenüber "Männern") - aber sie sind kein Sexismus, da wir nunmal in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft leben. Das macht sie jetzt nicht zu "besseren" Vorurteilen, aber sie sind in einem anderen Kontext zu sehen. Wir würden uns freilich wünschen, dass alle geschlechtsbezogenen Vorurteile - auch die, die nicht als Sexismus bezeichnet werden können - reflektiert und überwunden werden können, weswegen sich unser Fragebogen an alle Gender richtet und sowohl zur Reflexion über Seximus als auch grundsätzlich über geschlechtsbezogene Vorurteile etc. anregen soll.


Zur genaueren Information, Differenzierung von sexism und gender-based prejudice und Erklärung dieses komplexen Themas empfehlen wir die Artikel what is sexism und male privilege daraus hier noch zwei kurze Auszüge (Links zu entsprechenden deutschsprachigen Texten mit aehnlich ausfuehrlichen Erklaerungen sind uns leider gerade keine bekannt):

Short definition: Sexism is both discrimination based on gender and the attitudes, stereotypes, and the cultural elements that promote this discrimination. Given the historical and continued imbalance of power, where men as a class are privileged over women as a class (see male privilege), an important, but often overlooked, part of the term is that sexism is prejudice plus power. Thus feminists reject the notion that women can be sexist towards men because women lack the institutional power that men have.[1]
- - -
Before discussing “male privilege” it is first important to define what privilege means in an anti-oppression setting. Privilege, at its core, is the advantages that people benefit from based solely on their social status. It is a status that is conferred by society to certain groups, not seized by individuals, which is why it can be difficult sometimes to see one’s own privilege.[2]


Zur Verwendung von _ statt I bei gendersensibler Sprache

Als queere-feministische Gruppe reicht uns das Binnen-I (z.B. in AktivistInnen) als Mittel für gendersensible Sprache nicht, da dadurch die gesellschaftlich vorherrschende bipolare Genderkategorisierung von Personen in "Frau" und "Mann" reproduziert wird (der Buchstabe i/I kann genau zwei Zustände einnehmen: Groß und klein, und symbolisiert damit eine Bipolarität). Daher haben wir uns zur Verwendung des Unterstrichs _ entschlossen (z.B. Aktivist_innen), da dieser ein Kontinuum symbolisiert, das Personen, die außerhalb der vorherrschenden Geschlechterkategorien stehen, wie Trans*- und Inter*-Personen, mitmeint und ebenfalls sichtbar macht.


Weiterführende Links


Einführende Texte zum Spannungsfeld (Queer-)Feminismus und Heterosexismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Feminismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Queer

http://de.wikipedia.org/wiki/Heterosexismus

Textsammlung Antisexismusbündnis Berlin

Für eine tiefere Auseinandersetzung mit Antisexismus und Möglichkeiten Antisexistischer Praxis (nicht nur aber auch in der linken Kontexten) möchten wir hier besonders auf die Texte zu folgenden Themen verweisen:

Antisexistisches Redeverhalten: http://asbb.blogsport.de/2008/03/14/wie-diskutieren-herrschaftsverhaeltnisse-auf-diskussionsveranstaltungen/

Sexismus und Gender: http://asbb.blogsport.de/2008/03/14/sexismus-und-gender/

Definitionsmacht z.B.: http://asbb.blogsport.de/2008/03/14/ueber-definitionsmacht/ und http://asbb.blogsport.de/2008/03/23/when-my-anger-starts-to-cry/

Umgang mit sexueller Gewalt z.B.: http://asbb.blogsport.de/2008/03/23/was-tun-wennas-braennt-zum-umgang-mit-sexueller-gewalt/

Die gesamte(n) Textsammlung(en) mit weiteren Beiträgen zB. zu Heteronormativität, Intersexualität, Schönheitsnormen, Heterosexismus, Queer uvm. finden sich hier:

Textsammlung 1: http://asbb.blogsport.de/asism_1/

Textsammlung 2: http://asbb.blogsport.de/asism_2/

Textsammlung 3: http://asbb.blogsport.de/asism_3/


Zur Verwendung von _ statt I

http://diestandard.at/fs/1224776349439/GenderSprache-Raum-fuer-_

http://derstandard.at/fs/1254311910802/Der-Tod-des-Binnen-I?_blogGroup=1


Große Queer-Feministische Veranstaltungen in Wien (Auswahl)

Queer-Feministische Tage Wien (2008): http://queerfemtagesind.org/

Ladyfest Wien (2004, 2005, 2007): http://www.ladyfestwien.org/

Rampenfiber Festival (organisiert im Umfeld der feministischen Popkultur-Zeitschrift fiber, 2006 und 2009): http://www.fibrig.net/?page_id=122

Ladyzzz' Mile (hat im Umfeld der EURO 2008-Männerfußball-EM in Wien stattgefunden und sich als deklariert queer-feministisches Alternativprogramm zur Fanmeile am Ring verstanden):
http://wien.gruene.at/uploads/tx_greenimages/ladyzzzmile2_02.jpg


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