Protokoll

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Protokoll Nr. 4: Diskussion zu Geschlechter-Macht mit G. Michalitsch

- Geschlecht als soziale Kategorie: konstituiert sich stark durch (hegemoniale) Machtverhältnisse: Zuschreibungen (s.u.), unsichtbar gemachte Ausschlussmechanismen u.a.

- Der westliche, männliche, weiße Bürger (Homo Oeconomicus) als die vorherrschende "Norm", welche sich machtvoll gegenüber / durch die Abgrenzung von dem Anderen (transgender, Migrant_innen, Roma / Sinti usw.)konstituiert. Dieses, speziell "das Weibliche", wurde und wird als "unterlegen", "schwach", "emtional-irrational" usw. konstruiert. Daher bedürfe es des Schutzes durch "den starken Mann", welcher - nicht nur damit - einen privilegierten Zugriff auf weibliche Körper, Arbeitskraft usw. hat.

- Die Abhängigkeit vieler "Hausfrauen" vom Ehemann bzw. "breadwinner" scheint z.B. in offiziellen statistiken gar nicht auf. Im gegenwärtigen Kontext hegemonialen Maskulinismus werden Frauen* meist un- bzw. unterbezahlte Arbeiten sowie ein insgesamt überproportionaler Arbeitsaufwand zugewiesen (Pflege-, Erziehungs-, Organisierungs- usw. Arbeiten)... .

- Gilt meist nicht als "Leistung" > Debatte um linearen Effizienzwahn und Homo Oeconomicus, das vorherrschende Menschbild / Verhaltensmuster: dieser hat Leidenschaften in ein ökonomistisches Kosten-Nutzenkalkül kanalisiert. Er* stellt eine Verallgemeinerung "des" westlich / männlich / weißen Bougeois dar: "hart", "rational", kompetitiv, egomanisch.

Dass dieses Ideologem mithin hegemoniale Realität werden konnte, hat auch mit dem Besitzindividualismus / dem zusehends ungleich verteilten Privatbesitz von Produktionmitteln (v.a. Kapital, Gebäude, natürliche Ressourcen) im Kapitalismus zu tun: da Ressourcen künstlich verknappt werden, sind viele schlicht zur beinharten Konkurrenz untereinander genötigt.

- Die meisten, speziell Frauen*arbeiten, werden nicht entlohnt (sind sozial motiviert / ernötigt); auf das im Haushalt usw. generierte "Humankapital" kann später profitbringend zugegriffen werden > Ausbeutung.

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Gedächtnisprotokoll 3; Macht/Raum - Raum/Macht:

- Verhältnisse von Identitäten, Geschlecht, Staat, Ökonomie: geselschaftsanalysen kann sinnigerweise nicht auf einen Themenkomplex reduziert werden.

- Verhältnisse von ökonomischem und politischem Liberalismus; Neoliberalismus als Projekt der totalen Ökonomisierung > aller Räume, Menschen, diese werden zu Humankapital (erklärt / gemacht) usw.

- Fundierte Kritik und (relativer) Freiraum zur Diskussion als existentzielle Voraussetzung emanzipativer Praxis

- Was engt (Lebens-) Räume wie ein? Wie wird Raum konstituiert und reguliert? (Karlsplatz: Überwachung usw.)

- Welche Ein- und Ausschlussmechanismen nach Geschlecht, Klasse und "Ethnizität" gibt es? Z.B. Privatisierung / Kommerzialisierung von öffentlichem Raum: dieser kann dann nur noch gegen Tribut genutzt werden (Miete, Konsum teurer Getränke etc.)

> daher Räumlichkeit auch als soziale Kategorie


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Text zu Kapitalismus, Konkurrenz und kritischer Wissenschaft (Auszüge aus Bernd Belina: Kritische Geographie: Bildet Banden!)

"Wie in der Fabrik kommt auch an der Uni nur voran, wer Kommiliton/inn/en bzw. andere Wissenschaftler/innen hinter sich lässt, weshalb Studierende und Wissenschaftler/ innen andauernd beweisen müssen, dass sie besser sind als andere. Die Selektion unter Studierenden funktioniert – wie im Bildungswesen überhaupt (vgl. Huisken, 2007, 17-40) – primär über Zugangsregulierungen und Noten. Dies wird durch die aktuellen Reformen mit ihrer Verschulung des Studiums („Bologna“) noch verschärft, was zur weiteren Entsolidarisierung unter Studierende beiträgt (Bloch, 2004). Für Wissenschaftler/innen sind in der BRD mit dem Einzug des „Exzellenz“- Wahns ebenfalls neue Zeiten angebrochen (in den USA begann dieser Prozess schon früher, vgl. Mitchell, 2001). Eine Dauerstelle als Professor/in ereichte bislang, wer in der jeweiligen Situation den richtig gemixten Cocktail aufweisen konnte aus „Namen“ (basierend v.a. auf Publikationen und Vorträgen), Spezialgebiet, Qualifikationen, Alter sowie vor allem Netzwerken und „Vitamin B“ (wozu für Mitarbeiter/innen und Assistent/inn/en u.U. ein eher hündisches Verhältnis zur/zum Chef/in und ein Vermeiden eigener Positionen zielführend sein konnte). Denjenigen, die auf eine Professur berufen wurden – und nur ihnen –, wurde sowohl rechtlich („Freiheit der Wissenschaft“) als auch ideologisch bestätigt, dass sie nicht nur Großartiges geleistet haben, sondern auch großartig sind."

Fußnote 3: "Eine Typologie der so produzierten Subjektivitäten von Hochschullehrer/inne/n müsste u.a. beinhalte: das „Arbeitspferd“, das in der schieren Masse betreuter Abschlussarbeiten etc. seine Auszeichnung findet; die/der „Netzwerker/in“, der/dem ihre/seine Beliebtheit in der scientific community zu Kopf gestiegen ist; das „Genie“, das stolz darauf ist, dass auch noch der unverständlichste Quark aus seiner Feder von Adepten (oder eigenen Mitarbeiter/inne/n) interpretiert wird; die (in allen Geschlechtern gelieferte) „Diva“, die in Sitzungen, Prüfungen und auf Tagungen Dramen anzettelt, um im Mittelpunkt zu stehen; das „Opfer“, das seine Großartigkeit nicht ausreichend anerkannt wähnt und dafür diverse Schuldige und Verschwörungen ausmacht; die „Duzmaschine“, die Mittzwanziger/innen, die nur einen Schein brauchen, unaufgefordert als Freund/inn/e/n betrachtet und dies als Ausweis seines/ihres guten Drahts zur Jugend ansieht; der „Feingeist“, dessen zur Schau getragene Verachtung der Profanität der materiellen Welt ihn über alle Zweifel erhebt u.v.a.m."

"... der individuelle Ausweis von „Exzellenz“ steigert den unter Hochschullehrer/ inne/n aus o.g. Gründen ohnehin nicht unüblichen Zustand der „permanenten kollektiven4 narzistischen Selbstüberhöhung“ (Keupp, 2007, 1193) noch weiter."

"Den Kontext des Zwangs zur individuellen Exzellenz qua selektiver Kooperation bildet das institutionelle Streben ganzer Institute und Universitäten nach Exzellenz (also Geld). Ein enervierender Aspekt dessen sind die Versuche, Universitäten zu Marken zu stilisieren, eine corporate identity zu kreieren, die nach außen ein erhöhtes Gebrauchswertversprechen an potentielle Studierende und andere Geldgeber/innen vermitteln soll, und die nach innen auf die Steigerung der freudigen Selbstausbeutung unter (unterhalb der Lebenszeitprofessur stets) prekär Beschäftigten abzielt, deren Mittun durch Belohnungen in Form verlängerter Verträge und (oft mehr symbolischen denn materiellen) Aufstiegs sowie das Damoklesschwert der Nichtweiterbeschäftigung erreicht werden soll.5 Auch auf dieser institutionellen Ebene der nach Exzellenz strebenden Universität findet Kollektivität primär instrumentell und als Strategie statt. All dies sind denkbar schlechte Voraussetzungen, um kritisches Wissen über und u.U. gegen die bestehende Gesellschaft zu produzieren – und zugleich Gründe, der strukturellen Individualisierung offensiv durch Versuche der kollektiven Wissensproduktion entgegenzutreten ..."


Apropos "Freiheit" und "Liberalismus":

"Bei dem Ziel „Befreiung“ ist allerdings Vorsicht geboten, schließlich kann „Freiheit“ viele verschiedene Dinge heißen. Im Kapitalismus, so hat Marx argumentiert, ist Freiheit vollständig durchgesetzt: „Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie kontrahieren als freie, rechtlich ebenbürtige Personen“ (Marx, 1867/1971, 189f.). Die Herstellung eben dieser Freiheit, so zeigt er im Kapital, ist eine Voraussetzung zur praktischen Scheidung der Klassen und damit für die Produktion von kapitalistischem Reichtum auf der einen und massenhafter Armut auf der anderen Seite. Im kapitalistischen Staat, so derselbe Autor an anderer Stelle, ist diese Freiheit in den bürgerlichen Verfassungen festgelegt und klar bestimmt: „Die Freiheit ist also das Recht, alles zu tun und zu treiben, was keinem andern schadet. Die Grenze, in welcher sich jeder dem andern unschädlich bewegen kann, ist durch das Gesetz bestimmt, wie die Grenze zweier Felder durch den Zaunpfahl bestimmt ist. Es handelt sich um die Freiheit des Menschen als isolierter auf sich zurückgezogener Monade“ (Marx, 1843/1970, 364). Freiheit ist damit „das Recht dieser Absonderung, das Recht des beschränkten, auf sich beschränkten Individuums“ (ebd.). Ein Inhalt von „Freiheit der Wissenschaft“ ist dann konsequenterweise der o.g. akademische Narzissmus, also das Recht, im eigenen Genie Ursprung und Zweck aller Wissenschaft zu erblicken."

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Protokoll 1/2

Die ersten beiden Gespräche befassten sich v.a. damit, was zentrale Merkmale der politischen Ökonomie des globalen Kapitalismus sind und in welchem Verhältnis diese zu nicht-kap. / alternativen Produktionsweisen stehen.


Wodurch zeichnet sich Kapitalismus aus?


1. Wachstumimperativ:

„Kapitalismus ist ein historisches Sozialsystem, dessen bestimmende Dynamik die endlose Akkumulation von Kapital ist. Der primäre Zweck von Produktion ist nicht die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern die Vermehrung des Kapitals.“ (Parnreiter 2003: 20)
Es muss immer mehr Kapital (als im Vorjahr) angehäuft werden; Geld wird in die Produktion (z.B. Schuhfabrik) investiert und durch Arbeitsprozesse aufgewertet (aus Leder, Skills usw. werden Schuhe); wenn die Ware verkauft werden kann, wird der geschaffene Mehrwert realisiert (Profit).
Dieser wird von der Kapitalseite angeeignet und z.T. re-investiert, um wiederum mehr Kapital anzuhäufen (Geld - Ware - mehr Geld, da capo ...). Wirtschaftlichen Wachstumsraten spiegeln diese Prozesse wider.

Mit dieser Dynamik gibt es eine Tendenz zur Überproduktion sowie scharfer Konkurrenz um Marktanteile bzw. Kaufkraft. Können die Waren nicht verkauft werden, wird das investierte Kapital vernichtet (daher Mia. Investitionen in Werbung usw.).


2. Privateigentum an Produktionsmitteln

Der Besitzindividualismus bzw. das private Eigentum von existenziellen Mitteln zur Produktion (fruchtbare Böden, Betriebe, Wissen usw.) ist ein Spezifikum des Kapitalismus. Darin liegt eine zentrale Voraussetzung der unendlichen (?) Kapitalvermehrung, da so die Mehrheit zum Verkauf ihrer Arbeitskraft gezwungen ist (Lohnarbeit). Wären die produzierten Güter öffentlich / ohne Geld zugänglich, gäbe es keinen monetären Profit und somit keine (Kapital-) Investitionen (s. G - W – G´). In den meisten anderen Formen des Wirtschaftens sind Produktionsmittel mehr oder minder öffentlich zugänglich und die tatsächlichen ProduzentInnen können sich daher z.T. selbst entscheiden, wie die Ergebnisse ihrer Arbeitsprozesse (weiter-) verwendet / re-investiert werden.
Die privatisierten Produktionsmittel sind äußerst ungleich verteilt und können meist (wenn überhaupt) nur gegen Tributzahlungen wie Miete usw. genutzt werden. So werden fundamentale Bestandteile gesellschaftlicher Existenz der Mehrheit entzogen.

- Staatliche bzw. politisch-juristische Durchsetzung und Absicherung (Bestrafung von Diebstahl überflüssiger Waren etc.)

- Ausgeprägte Konkurrenz(ierung), v.a. wegen künstlicher Verknappung hinreichend vorhandener Ressourcen (z.B. Nahrung oder Wissen); die Marktkonkurrenz erzwingt Profitsteigerung, diese Mechanismen sollten nicht unbedingt als "Gier" o.ä. naturalisiert bzw. psychologisiert werden.


3. Steigerung der Produktivität

Der Kap. bringt starke Steigerungen der Produktivität mit sich: wenn mehr Arbeit maschinell erledigt wird, entfällt weniger Kapital auf die Arbeitsprozesse (Lohn) und mehr auf die Profitraten (Vorteil in der Marktkonkurrenz). Mit (Sozial-) Lohnsenkungen wird jedoch zugleich eine notwendige Bedingung der Realisierung des Profits zersetzt: die kaufkräftige Nachfrage (again: G - W - G´). Würden die (übermäßig) produzierten Waren kostenlos an Bedürftige abgegeben, würde dies wegen des "Überangebots" die Preise und Profitraten ruinieren. Investiertes Kapital würde vernichtet (s.o.); deshalb, und aufgrund patriarchaler Strukturen, wird Diebstahl, z.B. Banküberfälle stärker bestraft als etwa sexualisierte Gewalt.


4. Priorität von Tauschwerten gegenüber Gebrauchswerten

Die Verwertungsspirale G-W-G´ ist an die Warenform bzw. an Tauschwerte gebunden: nur was verkäuflich und damit nicht (mehr) frei zugänglich ist, kann in die Verwertungsspirale aufgenommen werden. Tatsächliche Bedürfnisse (globaler) Mehrheiten sind damit zweitrangig; so müssen etwa viele „Entwicklungsländer“ cash-crops für den Weltmarkt produzieren, um Devisen für den Schuldendienst zu erwirtschaften. Food-crops müssen (?) vernachlässigt werden, selbst wenn gravierende Hungerepidemien im entsprechenden Land herrschen.

Durch die Warenform, bzw. durch Enteignung, kann privilegiert via Kapital auf Ressourcen oder (zwischen-) menschliche Werte wie Bildung oder Arbeitskraft zugegriffen werden.
Die Verfügungsgewalt über Kapital (und Elemente die damit angeeignet werden) ist sehr exklusiv: "Geldpolitik ist weitgehend eine Sache der Privatbanken, und Geldschöpfung - zu der ganz wesentlich die Verfügungsgewalt über reale Ressourcen gehört - findet innerhalb eines inneren Kreises des internationalen Bankensystems statt und dient allein der Anhäufung privaten Reichtums. Mächtige Finanzakteure haben nicht nur die Fähigkeit, Geld zu schöpfen und ohne Behinderung frei zu bewegen, sondern können auch die Zinssätze manipulieren und den Niedergang großer Währungen beschleunigen [...]". (Krysmanski 2007: 128)

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